Somit haben Sie, meine lieben Damen und Herren, nun sogar eine Vorstellung davon, wie es um Dodge City herum aussieht. Als ich meine Erzählung begonnen habe, dachte ich selbst kaum daran, wie weitläufig ein Ort sein kann, der theoretisch auf wenigen Quadratmetern Platz findet. Sie mögen einwerfen, dass Sie mich durchschaut hätten. Tatsächlich findet Dodge City bisher überwiegend in meinem Kopf statt. Doch habe ich Sie noch kein Bisschen mit hineingezogen in das Leben im europäischen Mittelwesten? Unterscheidet es sich tatsächlich so sehr von dem, was Sie aus dem kennen, was Sie Realität nennen? Vielleicht finden Sie sich nicht in jedem Jahr mit Ihren Freunden zu einem Sommercamp zusammen. Doch sicherlich waren Sie bereits einmal zu einem Grillabend geladen.

Dodge City XII

oder

Das Barbecue

Es war ein wundervoller Tag in Dodge City. Richter Clavius hatte sich in der Stadt unbeliebt gemacht, als er veranlasste, den Sargmacher noch am selben Abend aus dem Gefängnis zu entlassen. Außerdem hatte er Sheriff Dick eine saftige Geldstrafe wegen Freiheitsberaubung auferlegte, was diesen äußerst ungehalten stimmte. Da der Missmut des Sheriffs immer auch der Missmut der Stadt war, kühlte sich das Verhältnis zu Clavius auf frostige Temperaturen ab. Das zeigte sich unter anderem darin, dass im Laufe einer Woche mehrere Sinnsprüche folgenden Wortlauts an der Hauswand des Justizgebäudes auftraten: "Richter raus aus der Serie!", "Mehr Mut zur Selbstjustiz!" und der beliebte Spruch "Hang'em High". Kürzlich war noch "Bin gleich wieder zurück." dazugekommen. Das hatte der Richter auf einen Zettel geschrieben und an seine Tür gepinnt, bevor er sich zum Saloon begeben hatte, um mit der Bürgermeisterin zu sprechen.

Kitty war zwar etwas verwundert, als es an der Flügeltür des Saloons klopfte, aber sie entsann sich, dass der Wortlaut "Herein!" die adäquate Reaktion auf solch ein Klopfen war.

"Herein!", sagte sie also und Richter Clavius trat in den Saloon, in dem der alte Campbell gerade seinen Whisky bezahlte und sich zum Gehen wandte. Kopfschüttelnd blickte er im Vorbeigehen von der Seite auf Clavius und verschwand hinaus auf die staubige Hauptstraße.

"Guten Morgen, Richter!" lächelte Kitty und hoffte, dass der Sheriff sich in den nächsten Minuten nicht im Saloon blicken lassen würde. "Was führt sie zu mir?"

"Ich wollte Sie in Ihrer Eigenschaft als Bürgermeisterin sprechen.", meinte der Richter. "Es geht um die Kooperation zwischen Legislative, Exekutive und Judikative in dieser Stadt."

"Oh," entfuhr es Kitty, "da sind Sie leider ganz umsonst gekommen. Das gibt es in Dodge City nicht." Sie wischte das Whiskyglas vom alten Campbell mit einem Tuch aus und stellte es unter den Tresen.

"Dann lassen Sie es mich anders formulieren: Es geht um die Zusammenarbeit zwischen Ihnen, dem Sheriff und mir." versuchte es Clavius erneut. Ein leichtes Stechen zog unter seinen Haaren entlang vom rechten Ohr über den Hinterkopf zum linken Ohr. Er fühlte sich nicht ernst genommen.

"Ich glaube nicht, dass der Sheriff mit Ihnen zusammenarbeiten wird." lächelte Kitty milde. "Dazu haben Sie ihn in der letzten Woche zu sehr verärgert."

"Gerade deshalb möchte ich ja mit Ihnen sprechen. Wer weiß schon genau, ob es wirklich ich war, der den Sheriff verärgert hat. Wir verlassen uns in diesem Punkt allein auf die Vertrauenswürdigkeit des Autors." sprach der Richter hastig.

"Ach!" seufzte Kitty. "Wer wird denn schon am frühen Morgen metafiktional werden. Für solche Art Gespräche, suchen Sie doch besser den Sheriff oder noch besser einen Therapeuten auf. O'Brian macht seine Arbeit ziemlich gut."

"Okay, lassen wir das. Ich wollte Sie eigentlich nur bitten, am Sonntag mit dem Sheriff zu mir zu einem Barbecue zu kommen. Wir können dabei ganz zwanglos über unsere künftige Zusammenarbeit sprechen. Möglicherweise ist der Sheriff dann bereit, ernst darüber nachzudenken." Clavius grinste leicht angesäuert, denn er fühlte sich noch weniger ernst genommen als zuvor.

"Versprechen kann ich nichts, aber ich werde sehen, was ich tun kann. Möglicherweise ist es gar keine schlechte Idee. Ich weiß mit meiner Stellung als Bürgermeister eigentlich nichts anzufangen. Ich weiß nicht einmal, was meine Vorgänger hier getan haben könnten." Kitty richtete selbstvergessen die Hocker vor dem Tresen aus.

"Also gut, dann ist es abgemacht!" sagte der Richter schnell und verabschiedete sich, denn er musste zurück zu seinem Gerichtsgebäude, bevor noch mehr Sprüche darauf erschienen.

Nachdem ich nun eine volle Seite Vorgeplänkel verfasst habe, meine sehr verehrten Damen und Herren Leser, muss ich an dieser Stelle eingestehen, dass ich unentschlossen bin, wohin sich die Geschichte entwickeln soll. Der Sheriff ist mir unlängst im Traum erschienen , wobei wir wieder bei der Lokalisierung des Ortes wären. Offensichtlich nimmt Dodge City mit der Intensität der intellektuellen Auseinandersetzung immer umfassendere Dimensionen an. Mein

Freund Dick hat mir im Schlaf glaubhaft versichert, dass alle ernsthaften Bemühungen darum, den Richter in seiner Stadt zu tolerieren oder gar lieb zu gewinnen, gescheitert waren. Selbst die Extremerfahrung im Sommercamp hatten die Protagonisten der Serie nicht einen Schritt näher gebracht. Auch andere Gründe erschienen durchaus triftig: Der Richter nervt; zu viele Hauptpersonen schaden dem Stil einer Kurzgeschichte; drei Personen genügen zum Pokern und; formelles Recht schränkt die Gewalt des Sheriffs ein. Dennoch bin ich mir in meiner Funktion als Autor bis dato nicht schlüssig, ob etwas und falls ja, was geschehen soll. Also beobachten wir die Sache weiter und begeben uns zu des Richters Grillabend, denn natürlich hat es Kitty geschafft, den Sheriff zu überreden, das Kriegsbeil fürs erste zu begraben.

"Da sind wir!" knurrte Sheriff Dick am Sonntag und hob, als Kitty ihm den Ellenbogen in die Seite stieß, Zeige- und Mittelfinger grüßend an die Krempe seines Cowboyhutes, welcher ihn optisch noch größer erscheinen ließ, als Dick ohnehin bereits war.

"Ich freue mich." entgegnete der Richter und trat aus der Hoftür, um Kitty und Dick einzulassen. Zwei kleine Sprinkleranlagen sorgte für die Bewässerung eines Rasens, der spärlich war, aber dennoch auffällig mit der staubigen Straße am Osttor kontrastierte.

"Modischer Schnickschnack!" knurrte Dick erneut und setzte sich auf eine Holzbank nahe dem Elektrogrill. "Ist Ihnen eigentlich klar, dass sie der Einzige hier sind, der an das Strom- und Abwassernetz angeschlossen ist?" fragte er dann geringschätzigen Untertons.

"Ein gewisses Maß an Komfort muss sein. Das gehört zu meinem auf Gegensätze angelegten Lebensstil." entgegnete der Richter und legte drei Steaks auf den Grill, während er Kitty mit höflicher Geste einlud, sich ebenfalls zu setzen.

"Wie lange muss ich denn noch auf mein Steak warten?", brummte der Sheriff. "Mir ist als wären bereits Jahre vergangen, dabei sind wir höchstens zehn Minuten hier." Argwöhnisch betrachtete er den Elektrogrill und dachte zurück an die Lagerfeuerromantik der Ausflüge mit dem Doc in Weiten jenseits der Stadttore. Es erschien ihm im Ganzen erstrebenswerter ein Holzfeuer auflodern zu sehen, und einen fischgespikten Stock in dessen Flammen, die in den nächtlichen Himmel züngelten, zu halten, als artig auf einer Gartenbank zu sitzen. Bald würde der Rauch das Holz des Stockes schwarz färben und der Fisch appetitlich zu duften anfangen. Der Doc würde ihn nach einem Schluck aus seiner Whiskyflasche auffordern, eine melancholische Melodie auf der Geige zu spielen. Dick würde dabei wie üblich die Geschichte von seinem ersten Hengst einfallen.

"Da fällt mir die Geschichte von meinem ersten Hengst ein. Ich könnte diese hier als Unterhaltungselement zum Besten geben.", bot Dick an, um das allseitige Schweigen zu vertreiben.

"Schon wieder?", antwortete Kitty, die die Geschichte in der Zeit zwischen den einzelnen Episoden bereits mehrere Male gehört hatte, weil der Doc Dick bereits bei verschiedenen Gelegenheiten zum fiedeln einer melancholischen Melodie aufgefordert hatte.

Doch der Richter, während er die Steaks wendete und an geschriebenes Recht dachte, musste zustimmend nicken, denn der Autor will für einige Zeilen szenisches Schreiben vermeiden und eine entspannte Atmosphäre schaffen, damit es doch noch zu einem Versöhnungsmoment kommen kann. Also begann Sheriff Dick zu erzählen:

Mein erster Hengst war ein wunderbares Pferd; so wild wie ein Präriesturm, so schwarz wie die Nacht dort draußen und so klug wie Dangerous Dick, der nicht nur ein gefährlicher Raufbold, Bankräuber, Heiratsschwindler, Kopfgeldjäger und langnasig, sondern auch ein gewiefter Fährtenleser war. Leider war das Tier ebenso erfunden wie dieser. Doch das störte mich nicht, denn ich war zu diesem Zeitpunkt erst 15 Jahre alt, lag unter der Veranda meines Elternhauses und schrieb eine Geschichte über einen Hengst, nach der klar wurde, dass ich mich nicht zum Schriftsteller eignete und mein Auskommen auf eine andere Art würde suchen müssen.

Der Held meiner Geschichte hatte das Tier selbst gefangen, gezähmt und zugeritten. Es gehorchte ihm aufs Wort und beherrschte kleine Kunststückchen. Ohne Mühe öffnete es das Gatter der Koppel. Oder es öffnete das Schiebefenster, um von außen ins Hau sehen zu können, wenn sich sein Besitzer nicht auf dem Hof befand. Doch das war noch nicht alles. Mein Hengst konnte zählen, indem er mit seinem Huf scharrte. Nachdem ich meiner Figur ihm dieses beibringen gelassen hatte, begann der Hengst alles Mögliche zu zählen. Zunächst zählte er die anderen Pferde auf der Koppel. Dann zählte er die Bäume rings um das Haus und die Eier, die die Hühner legten. Als er begann, die Wolken zu zählen und deswegen den ganzen Tag nur in die Luft starrte und mit dem Huf scharrte, brachte der Held meiner Geschichte ihm bei auf den Hinterbeinen zu laufen. Aber weil er sich dabei so schwer im Sattel halten konnte, überlegte ich mir, dass es besser wäre, das Pferd auf allen vier Hufen laufen zu lassen. Gerade, als der Besitzer überlegte, was er als nächstes mit seinem besten Freund einstudieren könnte, hielt ein Fernsehteam auf dem Hof des Helden meiner Geschichte und bot seinem Dad 20.000 $ für den Hengst, weil sie ihn für eine Serie brauchten.

Der Vater verkaufte den Hengst mit Freuden, denn seine Frau war zum vierzehnten Mal schwanger. Sie brauchten das Geld dringend, um verschiedenen Anschaffungen zu tätigen. Als das Fernsehteam von ihrem Hof fuhr, zählte der Hengst die Schrauben, mit welcher das Holz des Anhängers zusammengehalten wurde. Das scharrende Stampfen seines Hufes drang noch zu uns herüber, als das Fahrzeug bereits hinter den Hügeln verschwunden war und nahm jene rhythmische Formen an, die später als Techno in die Musikgeschichte eingehen sollten.

Als meine Eltern diese Geschichte gelesen hatten, meinten sie, dass sie noch nie so viel Schwachsinn auf einem Blatt Papier gesehen hätten. Solch ein Pferd konnte es gar nicht geben. Außerdem gefiel ihnen die implizite Kritik am Zeugungsverhalten meines Vaters nicht. Daher befahl er mir, dass Schreiben aufzugeben und mich aufmerksamer um meine 12 Geschwister zu kümmern. Meine Mutter legte die Hände auf ihren Bauch und rief: "So wie der zutritt, wird es bestimmt wieder ein Junge!"

Der Sheriff unterbrach seine Erzählung und sah den verhalten gähnenden Richter mit gerunzelter Stirn an. Dann schloss er: "Wenn man überlegt, dass ich aus einer so großen Familie stamme und sich nur wirre Gedanken in meinem Kopf befinden, ist es doch verwunderlich, dass noch etwas ganz Ordentliches aus mir geworden ist. Außerdem habe ich im Laufe der Jahre viele Pferde besessen, aber der erste eigene Hengst ist und bleibt etwas Besonderes."

"Naja.", sagte der Richter nach einiger Zeit. "Zum Thema 'Pferde' kann ich nur wenig beitragen, doch auch ich hatte 13 Geschwister. Leider habe ich nie alle kennen gelernt, weil die meisten bereits aus dem Haus waren, als ich alt genug war, um mein Leben bewusst wahrzunehmen. Man munkelte, dass die ältesten drei Dick, Matt und Joe auf die schiefe Bahn gekommen sind. Matt und Joe wurden irgendwo im Mittelwesten erschossen. Doch von Dick hörten wir als letztes, dass er als gefährlicher Raufbold, Bankräuber, Heiratsschwindler und Kopfgeldjäger gesucht wird. Aber das ist bereits einige Jahre her."

Sheriff Dick wurde plötzlich hellhörig und warf einen fragenden Blick auf Kitty. Diese war jedoch in Dodge City II noch nicht erfunden gewesen und konnte somit nicht wissen, dass ihr Sheriff Dick jener gefährliche Raufbold, Bankräuber, Heiratsschwindler und Kopfgeldjäger gewesen war, bevor er den Sheriffposten übernehmen musste. Deshalb lächelte sie nur und reichte dem Richter ihren Teller, auf den er ein gut durchgebratenes Steak legte.

"Um wiedergutzumachen, was meine Brüder der Gesellschaft an Schaden zugefügt haben, bin ich Richter geworden. Teller!", ergänzte Clavius und warf auch dem Sheriff ein saftiges Steak auf den Teller, den Kitty ihm entgegen hielt.

Der Sheriff zog seine Stirn in Falten und überlegte. "Kann es sein, dass Ihre Eltern die Wilsons vom oberen Ende des Plumflusses sind?", fragte er nach einer Weile des Nachdenkens. Der Richter schluckte den Bissen herunter und nickte.

"Das waren sie.", legte ihm der Autor in den Mund, um das Geschehen dem dramatischen Höhepunkt zu zutreiben.

"Waren?"

"Vor 2 Jahren ist die Farm abgebrannt. Mein Vater wurde von panikenden Pferden niedergetrampelt, als er das Tor des brennenden Stalls öffnete."

Kitty schluckte schwer und hörte auf zu kauen. "Das ist ja furchtbar!", sagte sie.

"Das Schicksal meiner Mutter erfüllte sich im nämlichen Moment, als sie vom herbei rasenden Feuerwehrgespann erfasst wurde und sofort am Unfallort verstarb."

"Das tut mir so leid!", meinte Kitty mitfühlend und sah den Richter mit ihren großen braunen Augen trostspendend an. Sheriff Dick trat ihr unterm Tisch ans Schienbein und guckte streng. Dann sagte er zu Clavius gewandt: "Ich möchte es fast nicht eingestehen, denn ein Verwandtschaftliches Verhältnis mit einem Gutmenschen ist mir äußerst unangenehm. Aber wie die Dinge jetzt stehen, sind wir Geschwister. Ich bin Dick Wilson vom oberen Ende des Plumflusses, Ihr ältester Bruder."

Richter Clavius legte sein Besteck zur Seite und sah den Sheriff mit durchdringendem Blick prüfend an. Weil für die Figuren und die Leser glaubhaft gemacht werden muss, dass die beiden tatsächlich Geschwister sind, fragte er: "Wie lautete der Mädchenname unserer Mutter?"

"Morricone.", sagte Dick mit fester Stimme.

"Wo bewahrte unser Vater sein Geld auf?", fragte der Richter weiter.

"Bevor ich ging hinter dem zweiten Ziegel von links über dem Kaminsims. Später höchstwahrscheinlich woanders." grinste Dick.

Der Richter zog die Augenbrauen zusammen. "Noch eine letzte Frage: Was ist allen männlichen Mitgliedern unserer Familie eigen?"

"Diese Frage könnte nun wirklich jeder beantworten.", meinte der Sheriff geringschätzig. "Die wunderbare lange Nase natürlich. Ich musste mich leider vor drei Jahren einer operativen Korrektur unterziehen, um mein Aussehen ein wenig vom Steckbrieffoto abzuheben. Der Unterschied ist sichtbar, aber nicht offensichtlich." Er drehte sein Gesicht ins Profil.

"Also stimmt es.", seufzte der Richter ergeben und lehnte sich zurück. "Wir sind wirklich Brüder."

Puh! Meine sehr verehrte Leserschaft, ich bin glücklich. Nachdem durch narrative Fügungen nicht nur Zwietracht gesät wurde, die als fast unmöglich auszuräumen galt, sondern auch die Hengst-Abschweifung den Verlauf der Handlung gehemmt haben, ist es mir doch noch gelungen, dem Barbecue einen Sinn zu geben.

"Na, wenn das so ist“, überlegte Sheriff Dick, "dann habe ich nichts gegen eine Zusammenarbeit mit dir, Bruder. Versöhnen wir uns einfach und überlegen dann, wie wir die Dinge so drehen, dass Geld und Wertgegenstände in der Familie bleiben, wenn wir unsere Aufgaben teilen."

"So hatte ich mir das aber nicht gedacht.", warf der Richter ein. "Ich möchte ein System der demokratischen Gewaltenteilung einführen. Ich habe hier das Gesetzbuch eines der fortschrittlichsten Staaten des europäischen Mittelwestens, nach welchem es sich zu richten gilt, um ein erfolgreiches Zusammenleben der Gesellschaft möglich zu machen. Dieses Buch muss die Basis für alle Handlungen aller Menschen und deren Kontrolle bilden. Ich stelle in diesem System die richtende Macht dar. Der Sheriff ist ein ausführendes Organ, und der Bürgermeister.... ."

"Der Bürgermeister hat dafür zu sorgen, dass es im Saloon immer ausreichend Whisky vorhanden ist!", unterbrach Sheriff Dick den Redefluss seines Bruders und zwinkerte Kitty zu.

"Mann!", nörgelte diese. "Nun werde ich nie erfahren, was ich als Bürgermeister zu tun habe, weil das das Ende der Geschichte ist."

***

Wieder einmal muss ich Ihnen zustimmen, meine liebe Leserschaft: Dieses Ende kam etwas unvermittelt und ist nicht gerade eines der amüsantesten, mit dem eine Dodge City Episode geschlossen hat. Deswegen steigen wir ein paar Zeilen früher noch einmal in die Geschichte ein, und versuchen ein anderes Ende zu finden. Doch ich versichere dem Leser bereits an dieser Stelle, dass es auch dieses Mal keine Lösung hinsichtlich der Frage des Verbleibens des Richters in der Serie geben wird. Dieser (nun auch bekannt als Dicks Bruder) sagte gerade:

"... Ich stelle in diesem System die richtende Macht dar. Der Sheriff ist ein exekutives Organ, und der Bürgermeister.... ."

"Der Bürgermeister hat dafür zu sorgen, dass es im Saloon immer ausreichend Whisky vorhanden ist!", unterbrach Sheriff Dick den Redefluss seines Bruders und zwinkerte Kitty zu. "Sind noch Steaks da?"

Der Richter fischte ein Steak vom Grill und sprach weiter: "Der Bürgermeister hilft natürlich auch das Gesetzbuch umzusetzen. Er vertritt die Belange der Bevölkerung, weil er von ihr zu ihrem Vertreter gewählt wird."

"Dann habe ich doch recht." Der Sheriff säbelte genüsslich an seinem Steak. "Der Bürgermeister sorgt dafür, dass immer ausreichend Whisky im Saloon vorhanden ist. Gebt der Bevölkerung genug zu trinken und gelegentlich ein Volksfest dazu. Schon läuft die Sache."

"Das ist aber einer sehr vereinfachte Sicht der Dinge.", wandte der Richter ein.

"Das ist Dodge City.", sagte der Sheriff. Kitty nickte. Damit ließ es Clavius für diesen Abend bewenden. Die Brüder tauschten noch bis spät in die Nacht Geschichten über die Familie aus. Allmählich verschwand die Abneigung aus des Sheriffs Gesicht. Und auch der Richter schien nicht mehr ganz so unglücklich über die Begegnung mit seinem ältesten Bruder. Kitty versuchte während dessen, die Namen der restlichen 12 Geschwister der Reihenfolge der Geburt nach zu ordnen, kam jedoch immer wieder durcheinander. Gegen Mitternacht schob sie den vollgefressenen Sheriff die Holztreppe zum oberen Stockwerk des Saloons hinauf. "Eigentlich schmeckt's vom Elektrogrill auch nicht schlechter als vom Lagerfeuer.", resümierte Dick den vorangegangenen Abend und ließ sich ins Bett fallen.

"Ja, kann sein.", entgegnete Kitty. „Ich hatte noch keine Lagerfeuerszene. Aber sag doch mal, Dick, „ fügte sie mit einem koketten Wimpernaufschlag hinzu und öffnete den oberen Knopf der Sheriffhose, "haben wirklich alle in deiner Familie so eine prächtige Nase."

"Mhm.", bejahte dieser. "Bis auf meine Mutter."


Copyright © 2008 Corinna Hein