Höchst kurzweilig und unterhaltsam führt Fry in das Handwerkszeug für die Dichtkunst ein und widmet sich abseits von freier Lyrik dem Metrum, dem Reim und den Formen anhand der englischsprachigen Lyrik, bevor er ein viertes Kapitel zur Lyrik und Poetik von heute anfügt. Dabei schöpft er aus einer Vielfalt von Gedichten, angefangen bei Shakespeare und Chaucer über Wordsworth bis hin zu modernen Dichtung eines Ezra Pound. Mit Hilfe seines schier unerschöpflichen Gedichtfundus' stellt er anschaulich dar, was beispielsweise einen Jambus von einem Anapäst unterscheidet, welche Wirkung Enjambements und Zäsuren entfalten oder wie die einzelnen Reimformen wirken. Dabei geht er neben den bekannteren Versformen wie Ballade oder Ode auf weniger bekannte wie Villanelle oder Pantum ein.
Verse über die eigene Nase, fusselnden Feigen oder Kühe auf der Wiese zeigen auf, dass es nicht unbedingt Themen von Weltbedeutung bedarf, um lyrisch tätig zu werden. Diese in Verse gebrachten alltäglichen Beobachtungen spiegeln vielmehr Frys Freude an der Dichtkunst und wirken dem Gefühl entgegen, dass man seinem Deutschlehrer gegenüberstände, für den man gerade zwanghaft versucht hat, eine mehrseitige Liste mit nur vage begreifbaren Fremdwörtern für eine anschließende Klausur in Gedichtanalyse auswendig zu lernen.
Mit der Lektüre dieses Buches könnte man verhindern, dass jungen Menschen bereits in der Oberstufe die Lust am Gedicht ausgetrieben wird. Was in den einzelnen Kapiteln anschaulich an Beispielen dargestellt wird, kann der Leser anschließend anhand einer gestellten Aufgabe sogleich praktisch erproben. Arbeitet man sich solchermaßen aufmerksam durch das Buch, kann das durchaus Wochen und Monate in Anspruch nehmen. Doch auch ohne ständige praktische Übung erhält man auf amüsante Weise einen Wissenszuwachs über die englische Literaturgeschichte und die Möglichkeiten der Dichtkunst so lebendig geschildert, als hätte Fry neben den Autoren gesessen, als Werke der Weltliteratur entstanden.
Mitglieder des Graduiertenkollegs für literarisches Übersetzen an der Universität München haben Stephen Frys Buch unter der Leitung von Andreas Mahler ins Deutsche übertragen, was ihnen vor allem bei den Eigenkreationen des Autors überzeugend gelungen ist. Dennoch war es von Vorteil, bei den zitierten Gedichten sowohl das englische Original als auch die Übersetzung abzudrucken, weil bei den deutschen Versen gelegentlich weniger deutlich wird, was Fry gerade erläutert hat. Gut gelungen ist der Akt übersetzerischer Freiheit beim Einschub von deutschem Rap, an welchem die Übersetzer verdeutlichen, wie viel Potenzial dem Reim auch in der zeitgenössischen deutschen Sprache innewohnt.
Das größte Verdienst des Buches ist jedoch, dass es so manches Vorurteil der Dichtkunst gegenüber ausräumt und, während es den Respekt vor dem Können großer Dichter stärkt, aufzeigt, dass man Freude an einer in der heutigen Zeit wenig beachteten literarischen Form empfinden kann - sowohl als Leser als auch als Schöpfer.
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