(Gabaldon, Diana (Autor) / Nguyen, Hoang (Illustrator): Feuer und Stein. Eine Liebe in den Highlands, Blanvalet, 2011, ISBN: 3764504226)

Zurück auf Anfang

Anfang der 1990er Jahre beginnt Diana Gabaldon mit der Veröffentlichung ihrer Highlander-Saga um die Krankenschwester Claire Randall, welche durch einen mysteriösen Steinkreis in den schottischen Highlands aus der Nachkriegsgegenwart des zwanzigsten Jahrhunderts in das 17. Jahrhundert verschlagen wird und dort auf alles trifft, was man aus den Geschichtsbüchern kennt: den Einfall der Engländer in Schottland und den daraus resultierenden Krieg, inklusive des Zubehörs wie Gemetzel, Folter oder politische Ränke. Ist Claire zunächst noch ausschließlich daran interessiert, in ihre Zeit und zu ihrem Mann Frank zurückzukehren, ändert sich das angesichts seines ihm äußerlich bis aufs i-Tüpfelchen gleichenden, allerdings absolut hassenswerten Vorfahrens Jack Randall und ihrer aufkeimenden Liebe zu dem jungen Highlander Jamie Fraser, welcher sie durch eine Heirat davor schützt, als Spionin hingerichtet zu werden. Schließlich entwickelt sich zwischen Claire und Jamie eine leidenschaftliche Liebe, die sie durch alle Unbill dieser Zeit gehen und jeden sein Scherflein zum erfolgreichen Überleben beitragen lässt.

Mit der Einführung einer mit umfassendem modernem Wissen über Medizin und Geschichte ausgestatteten Person in eine historischen Romanze setzte Gabaldon einen Trend, der viele ähnlich gelagerte Zeitreise-Liebesromane nach sich zog. Sie erarbeitete sich eine internationale Fangemeinde, die ihr über vier immer länger und uninspirierter werdende Fortsetzungen von "Feuer und Stein" und die in mehreren Bänden ausgelebte Leidenschaft für eine ursprüngliche Nebenfigur "Lord John Grey" die Treue hält. Als ihr angeboten wird, ihren größten Erfolg als Graphic Novel herauszubringen, erfüllt sich ein Traum für Gabaldon, die ihre Karriere als Autorin für Disney Comics begonnen hat. 2010 erscheint "The Exile. An Outlander Graphic Novel" in den USA. Blanvalet legt 2011 die deutsche Ausgabe mit dem Untertitel "Eine Liebe in den Highlands" auf und zieht sich den Unmut zahlreicher enttäuschter Fans zu, indem damit geworben wird, die Geschichte aus der Sicht Jamies zu zeigen, obwohl die Autorin bereits im Vorwort schreibt, dass sie die Sicht von Jamies Patenonkel Murthag gewählt hat.

Bedenkt man, dass der Roman "Feuer und Stein" gut 800 Seiten umfasst und besonders durch seine liebevolle und ausführliche Schilderung der Highlands und der Figuren sowie durch ausgefeilte Dialoge und detailreiche erotische Szenen besticht, dann wird bereits das Grundproblem deutlich, dass es einer 200-seitigen Comicadaption schwermacht, an diesen Erfolg anzuknüpfen: mangelnde Ausführlichkeit. Der ursprüngliche Plot musste extrem komprimiert werden und beschränkt sich im Wesentlichen auf die erste Hälfte des Romans. Selbst Lesern, die den Roman kennen, fällt es jedoch schwer, in den sprunghaft erzählten Episoden, in denen vieles nur angerissen werden kann, die Romanhandlung nachzuvollziehen. Die wichtigen Schlüsselszenen sind allerdings beisammen: Claire, die ahnungslos durch den Steinkreis ins 17. Jahrhundert gelangt und dort sofort auf Jack Randall trifft, der sie für eine Dirne hält; Jamies Problem mit dem Eid der MacKenzies; Claires und Jamies Hochzeit und mehr. Natürlich darf auch Claires Lieblingsfluch "Jesus H. Roosevelt Christ!" nicht fehlen.

Die Schilderung von bekannten Ereignissen aus der Sicht Murthags wäre nicht nötig gewesen. Die neu eingefügten Handlungsfäden um Geillis und ihren Begleiter Kenneth wirken überflüssig. Die Idee dahinter mag löblich sein: Der Leser soll neue Sichtweisen auf die Geschichte kennenlernen und die Motivation der Nebenfiguren besser verstehen. Allerdings dürfen die Szenen die bekannte Handlung nicht mehr verändern und, wenn sie relevant oder gar besser gewesen wären, hätten sie sich schon im Roman durchgesetzt. Aber sie waren für den Roman offensichtlich unerheblich und in der Graphic Novel verwirren sie nur. Die komplizierten politischen Verflechtungen des MacKenzie-Clans hingegen, dem Jamie verpflichtet ist, können mit dem wenigen Raum, den die Szene in den Bildern einnimmt, nicht einmal ansatzweise verstanden werden. Die Neueinsteiger, die mit der stylischen Form Graphic Novel eventuell für den Roman interessiert werden sollten, würden sich daher nicht im Plot zurechtfinden und dürften nur schwer zu überzeugen sein. Für das Verständnis wären einige "oark"s und "uff"s in den Sprechblasen weniger und dafür ein paar erklärende Sätze mehr ratsamer gewesen.

Mit der Figur des "Kenneth" wird sogar ein komplett neuer Charakter eingeführt. Als Zeitreisender mit Verbindungen zur ebenfalls zeitreisenden der Hexerei angeklagten Geillis Duncan trägt er jedoch lediglich dazu bei, das Phänomen Zeitreisen beliebiger zu machen und Claires besonderes Schicksal noch mehr zu entzaubern, als es der Figur der Geillis in den Fortsetzungen von "Feuer und Stein" schon gelungen ist.

Der amerikanische Illustrator Hoang Nguyen mit vietnamesischen Wurzeln, der auch schon für Marvel Comics arbeitete, hat sich der grafischen Umsetzung der Geschichte angenommen. Diana Gabaldon beschreibt im Nachwort ausführlich die Diskussionen, die sie und ihre Fans bestritten haben, um den Charakteren das richtige Aussehen zu geben. Vor allem im ersten Teil der Graphic Novel zeichnen sich die Hauptpersonen auch durch Detailtreue aus. Jamies Gesicht ist anfangs markant und voll lebendigen Ausdrucks während es in den letzten Szenen nur noch flächig und mimiklos gezeichnet ist. Dadurch wirkt er sehr jung und glatt. Er sieht nicht aus wie der geborene Anführer oder wie jemand, der Spuren gelebten Lebens mit sich herumträgt. Das Gleiche gilt auch für die Nebenfiguren, die sich allesamt stark ähneln und weiche Gesichtszüge sowie rote Haare zeigen. Selbst Claire mutete auf manchen Bildern ein wenig asiatisch an. Möglich, dass Nguyen hier seine Erfahrungen mit Mangas zum Hindernis geworden sind.

Besser geglückt ist dem Zeichner die Darstellung von Stimmungen, insbesondere das Spiel mit Licht und Schatten. Gut gewählte Farben unterstreichen die Atmosphäre der Orte. Die Freiheit der hellgrünen Berge kontrastiert mit den dunklen Kampfszenen, die wie die überwiegende Zahl von Bildern als Close-ups gehalten sind. Dennoch ist die Darstellung der Landschaft überwiegend plakativ und die Ausarbeitung von Hintergründen überwiegend spärlich. Für eine Graphic Novel hätte man die Bilder viel sorgfältiger zeichnen müssen.

Die häufig anzutreffende Erotik kommt nicht von ungefähr, denn sie hat bereits im Roman einen hohen Stellenwert. Claires sehr kurvige Darstellung ähnelt in vielen Bildern jedoch einem Pin-up. Man hätte dem Zeichner sagen müssen, dass ihre vollen Brüste unnatürlich gepusht aussehen und der Schwerkraft nicht mehr zu unterliegen scheinen. Sie trägt auch Kleidung, die für eine resolute und praktische Frau, als die sie charakterisiert wird, nicht passend ist. Trotz aller Kritik zeigen die Bilder generell nicht zu viel, sondern lassen die entscheidenden Körperpartien aller Personen ausreichend bedeckt.

Eine gute formelle Idee war, die Szenen, die in der Vergangenheit spielen, nicht in streng rechteckigen Bildern darzustellen, sondern sie wie ausgerissene Seiten aussehen zu lassen. Durch unterschiedliche Sprechblasenformen wird auch Gesprochenes optisch von Gedachtem getrennt. Störend wirken die Comicstrip-typischen, teilweise unverständlichen Soundblasen mit "Worten" wie ">sknxk<". Das mag in Comics legitim sein, aber in ihrer gehobenen Form der Graphic Novel für ein erwachsenes Publikum wirken sie deplatziert. Auch die Übersetzungen in Sprechblasen verwendeter gälischer Ausdrücke noch im selben Bild stören optisch und lenken vom Bild ab. Sie wären im Anhang besser aufgehoben. Generell hat man die Möglichkeiten des Mediums nicht ausgeschöpft, sondern eher einen langen traditionellen Compicstrip gezeichnet.

Die Aufmachung ist mit rotem Hartcovereinband, Schutzumschlag und hochwertigem Papier, das die Bilder gut zur Geltung bring, sehr gelungen. Man hätte vielleicht ein anderes Rot als die Farbe von "Das flammende Kreuz" für den Schutzumschlag wählen und statt der kitschigen Abbildung auf dem Cover wieder ein keltisches Symbol verwenden können, aber optisch fügt sich der Band durchaus ins Gesamtbild der Saga.


Insgesamt ist diese Graphic Novel also nur etwas für hartgesottene Fans. Doch selbst diese werden anschließend sofort zum Roman greifen - zum einen, weil sie noch einmal genau wissen wollen, wie alles begann, und zum anderen, weil für einen Stoff wie "Feuer und Stein" diese Form die angemessenere ist. Ein Bild mag zwar mehr als tausend Worte sagen, aber es erreicht nicht annähernd ihren wortgewaltigen Schmachtwert: "Ich habe aus Freude geweint, meine Sassenach [...] Und ich habe Gott gedankt, dass ich noch zwei Hände habe. Zwei Hände, mit denen ich dich halten kann, mit denen ich dir dienen, mit denen ich dich lieben kann." Ach, Jamie! Seufz...


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veröffentlicht auf buchwurm.info, 2012
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