Die Frau eines engen Vertrauten der Königin wird tot am Fuße einer Treppe aufgefunden, und sofort munkelt das Reich, dass ihr Mann Robert Dudley oder gar die junge Königin Elisabeth etwas mit diesem Tod zu tun haben könnten. Für Elisabeth steht der Verlust des Thrones auf dem Spiel; für ihren Freund und Günstling Robert Dudley gar das eigene Leben. So weit die Fakten, dann setzt Tanja Kinkel ein, die nach umfangreichen Recherchen mit „Im Schatten der Königin“ ihre eigene Version der historisch verbürgten Begebenheit vorstellt. Roberts bester Freund Tom Blount übernimmt darin das schwierige Amt, den Fall zu untersuchen und ihn, obwohl auch er sich der Unschuld seines Freundes manchmal nicht ganz sicher ist, aufzuklären. Zwielichtige Gestalten behindern den Aufklärungsprozess, denn obwohl er fernab vom Hof ermittelt, sieht sich Tom Blount schnell in die Machtspielchen des Hofes verstrickt.
Wie immer verwebt Tanja Kinkel in sehr elegantem sprachlich hervorragendem Stil historische Fakten mit dem Schicksal von Menschen, die sie dem Leser nahebringen will. Sie sind gefangen in den Zwängen ihrer Zeit und Stellung, aber in ihrem Handeln doch so frei, dass sie die psychologisch gut ausgearbeiteten Probleme lösen können. Blount beispielsweise wird durch seine Ermittlungsarbeit gezwungen, immer wieder sein eigenes Leben mit dem seines Freundes zu vergleichen. Er erkennt, dass er seine Ehe vernachlässigt und seine Frau beinahe so behandelt, wie er es bei seinem Freund und in dessen Ehe kritisiert. Elisabeths Leben als Prinzessin und Königin wird durch die Konfrontation mit und aus Sicht der sehr lebendigen Gestalt ihrer Amme für den Leser nachvollziehbar als Gratwanderung zwischen höchster Macht und absoluter Machtlosigkeit geschildert.
Dennoch erscheint die Kriminalgeschichte eher spannungsarm, weil die Aufklärung des Falles immer wieder von der Schilderung der für den Kriminalfall unwichtigen Einzelschicksale von Nebenfiguren unterbrochen wird. Tom Blount bleibt bis auf den Fakt, dass es mit seiner Ehe nicht zum Besten steht, blass und schwer greifbar, so dass er nicht zu Identifikationsfigur werden kann. Die Amme Kat Ashley hingegen wird durch ihren Konflikt und den unbedingten Willen, ihr „Kind“ vor Ungemach zu beschützen, sehr plastisch herausgearbeitet, so dass es schließlich kaum überrascht, dass sie im Geheimen ermittelt. Auch der Komödiant Frobisher lockert die sachlich-trockene Ermittlungsarbeit etwas auf. Zum Ende hin gewinnt der Roman dann tatsächlich noch etwas an Fahrt, wenngleich die Lösung des Kriminalfalls nicht unbedingt überrascht.
Im Ganzen kann man nicht warm werden mit „Im Schatten der Königin“. Es gelingt nicht einmal, die Tote für ihr unglückliches Leben und dessen tragisches Ende zu bedauern. Der 2009 erschienene Roman „Die Säulen der Ewigkeit“ hatte mehr Abenteuer und Figuren zu bieten, an die man sich auch nach einem Jahr noch lebhaft erinnert. „Im Schatten der Königin“ verlangt vor allem eins: Durchhaltevermögen.
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