Komik, Katzen und andere Katastrophen (Olga Kaminer: Alle meine Katzen, Ullstein, Berlin, 2005, S.151, ISBN: 978-3-550-08626-1) Clarens, Python, Schamil, Maus, Patrizia, Murotschka, Juka, Brian Eno, Assa, Masja, Marfa, Fjodor, Wassilisa, Sjawa, Pesja, Lorik, Nüsja, Chupa, Musja, Basja, Tugrik, Fotja und wie sie alle heißen - nicht immer sind es Olga Kaminers eigene Tiere über die sie in ihrem Roman „Alle meine Katzen“ schreibt. Doch seit ihrer Kindheit kreuzen die eigenwilligen Samtpfoten beständig den Lebensweg der Autorin, so dass Olga Kaminer ihre Biographie auf höchst unterhaltsame Weise an Katzenbekanntschaften und nicht an Lebensdaten festmacht. |
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Olga Kaminer verbringt ihre Kindheit und Jugend auf der Insel Sachalin. Muss sie hier noch mit den Katzen ihrer Nachbarn vorlieb nehmen, weil die Eltern keine eigene Hauskatze erlauben, ändert sich das bereits im Studentenwohnheim im ehemaligen Leningrad (heute wieder St. Petersburg), wo sie nach einer feucht-fröhlichen Silvesternacht nicht nur einen Kater sondern auch ein richtiges Katzenbaby davon trägt. Doch so unverhofft, wie das Kätzchen Python in ihr Leben tritt verschwindet es auch wieder. Als sie aus einem Heimaturlaub zurückkehrt und ihre auf dubiose Weise erschlichene Wohnung betritt, ist diese bereits mit anderen Menschen belegt. Sowohl die Freunde als auch Python sind spurlos verschwunden. In 14 Episoden dieser Art lässt die Autoren ihre Leser an ihrem Leben in der ehemaligen Sowjetunion und im heutigen Berlin teilhaben, wo sie mit ihrem Ehemann Wladimir, zwei Kindern und drei Katzen lebt. Mit Witz und Ironie schreibt sie über Stationen ihres Lebens wie zum Beispiel über den, der Wohnungssituation in Leningrad geschuldeten, Umzug nach Lettland in eine Stadt jenseits der Zivilisation oder über ihre Rückkehr in eine Leningrader Wohnung mit „Ratten unter dem Holzfußboden“, „fehlenden Fensterscheiben“ und „ohne warmes Wasser“ im Haus. Es sind Geschichten über Korruption, Chaos und dem unvermeidlichen Maß an Schlitzohrigkeit, das man sich in einer Gesellschaft, der es an materiellen Gütern mangelt, aneignen muss, um sich durchschlagen zu können. Es sind jedoch auch Geschichten über Freundschaft, russische Lebenskultur und Gelassenheit frei nach dem russischen Motto: „Alles wird schon werden!“
Stets gehört jedoch auch das Portrait einer oder mehrerer eigenwilliger Katzen (meist nebst ihren nicht minder eigenwilligen Besitzern) dazu. Das Kapitel „Andenken an Juka“ ist zweifelsfrei eines der amüsantesten. Lachanfälle sind garantiert, wenn Kaminer beschreibt, wie in der Wohnung einer sehr kommunikativen Familie in Leningrad außer „bis zu vierzig Menschen unterschiedlichen Alters“ obendrein „in Kleiderhaufen im Korridor“ oder „in Töpfen und Pfannen“ in der Küche zahlreiche Katzen hausen. Da ist Lorik, den man nur dadurch aus seiner Stammbratpfanne entfernen kann, indem man sie aufs Feuer stellt und wartet, bis es ihm endlich zu warm wird. Da ist die „typisch französische“ Katze Nika, die beständig Nachwuchs nach Hause bringt, um den sie sich nie kümmert, weil sie sofort nach dem nächsten Galan Ausschau hält. Hier lernt man auch den Kater Caesar kennen, der als „begabter Runterspringer“ zum Schrecken aller alten Omis wird, die unter dem Wohnungsfenster stehen bleiben. Somit ist „Alle meine Katzen“ definitiv ein Buch für die Liebhaber von Stubentigern. Böse Zungen werden sich hingegen in ihrer Abneigung gegenüber diesen eigensinnigen, unabhängigen und von nichts zu überzeugenden Vierbeinern bestätigt sehen. Ein Übriges für die Komik tun neben den Schilderungen der Autorin auch die herrlich witzigen Illustrationen von Katja Fratzschen, der es gelungen ist, die Charaktere der tierischen Helden mit wenigen Strichen zu verdeutlichen. Hier fällt sofort die breit grinsende schwarze Katze auf dem geblümten Sessel des Umschlagbildes positiv ins Auge. Das Leben der Kaminers ist ein Puzzlespiel für das sie dem Leser mit jeder Veröffentlichung neue Teile in die Hand geben. Sie führen uns an scheinbaren Nebensächlichkeiten wie hier in „Alle meine Katzen“ der Katzenhaltung die Unterschiede zwischen dem osteuropäisch geprägten Leben und dem durchgestylten Leben vor Augen, welches die meisten Deutschen führen. Wahrscheinlich werden sie mit ihrer amüsanten Unterhaltungsliteratur nicht den Nobelpreis gewinnen, aber jedes Mal wenn man auf der letzten Seite eines ihrer Bücher angekommen ist, möchte man mehr von ihnen lesen, tiefer in ihr verrückt-faszinierendes Leben eintauchen und nicht zu Schmunzeln aufhören. Olga Kaminer steht ihrem Mann, der als Autor der „Russendisko“ bereits einen großen Bekanntheitsgrad erreicht hat, jedenfalls in nichts nach. Deshalb schlägt man auch „Alle meine Katzen“ mit Bedauern zu und ist froh, dass Olga und Wladimir Kaminer mit „Küche Totalitär“ (dieses Mal gemeinsam) schon ihr nächstes Werk nachgelegt haben. |
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