Sie liebt mich, sie liebt mich nicht... (Nick Tomlinson: Der erste Liebesbrief, Ehrenwirth/ Lübbe, Bergisch Gladbach, 2006, S. 28) Bisher haben Neil und sein Freund Brendan den Mädchen lediglich von einem sicheren Versteck aus nachgespäht. Doch nun ist es soweit: Der 13jährige Neil Flag ist zum ersten Mal verliebt und setzt alles daran, diese Liebe seiner Angebeteten namens Adele mit Hilfe einer romantischen Valentinskarte zu bekennen. Somit entspinnt sich eine wunderbare Geschichte über die "kindliche Respektlosigkeit, die in Wahrheit die allergrößte Achtung vor der Liebe ist." |
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In schlichten Worten schreibt Nick Tomlinson in seinem witzigen Debütroman nicht nur über die Irrungen und Wirrungen der Liebe seiner jungen Protagonisten sondern auch über die Trennung von Neils Eltern und deren sehr zaghafte Annäherung in der Folgezeit. Natürlich wirkt der junge Protagonist in Liebesdingen etwas romantisch verklärt, doch rechtzeitig, bevor er kitschig wirken könnte, wird romantischer Überschwang in Erklärung suchenden und Welt deutenden Analysen aufgelöst und durch die kindlicher Sichtweise ins Komische verkehrt: „Wo findet eine empfindsame Seele die Einsamkeit, die nötig ist, um große Dichtung hervorzubringen? Wo, wenn man in einer Doppelhaushälfte mit zwei unromantischen Affen zusammenlebt?“ Auch sein bester Freund Brendan kann ihm keine Hilfe sein: „Ein Gedicht für ein wunderschönes Mädchen zu schreiben ist doch nichts, das man mit seinem Kumpel im Voraus plant.“ In Episoden wie dieser offenbart sich dem Leser auf ironische Art und Weise, dass Neugier und Draufgängertum ebenso zum Erwachsenwerden in Sachen „Liebe“ gehören wie Unbeholfenheit, Ratlosigkeit und die Erfahrung, etwas ohne Hilfe aus sich selbst heraus erschaffen zu müssen. Gerade diese emotionalen Turbulenzen des Erwachsenwerdens tragen maßgeblich zum entspannt witzigen Ton des Buches bei. Neil kommt schließlich die späte Selbstfindung seiner Mutter zugute. Diese hat nach der Trennung von Neils Vater eine Karriere als Zeitungskolumnistin begonnen. Die „neue“ Mutter entspricht zwar so gar nicht mehr dem Bild, das Neil von ihr hatte, aber sie kann ihm dennoch erste Anregungen zur Ausbildung seiner Schreibfähigkeiten geben. Trotz aller Widrigkeiten entsteht solchermaßen in der wenig romantischen Umgebung des abschließbaren (!) Familienbads Neils erstes Liebesgedicht, welches gleichermaßen die Valentinstagskarte für Adele krönen soll. Im weiteren Verlaufe des Romans wird der Leser hineingezogen in die Verwicklungen um die Übergabe dieses „ersten Liebesbriefes“, um die Unsicherheit darüber, ob die Karte die richtige Person erreicht hat, und um die schwierige Zusammenarbeit mit dem Subjekt der Sehnsucht in der Schultheatergruppe. Noch dazu bemerkt Neil bei alledem beinahe zu spät, dass Brendans Schwester Karen wiederum in ihn verliebt ist und sich nicht zu offenbaren wagt. „Liebe und Sex waren für uns Dreizehnjährige das Größte, das Aufregendste, das Vergnüglichste überhaupt – nicht, weil wir sie erlebten, sondern weil wir davon träumen konnten. Liebe kam uns undenkbar und Sex lächerlich vor, und dennoch stellten sie für uns die höchste Verlockung dar, und wir wurden nie müde, darüber zu reden.“ - Tomlinsons „Der erste Liebesbrief“ ist ein unaufdringlich humorvolles Buch. Obwohl die emotionalen Turbulenzen des Erwachsenwerdens häufig zum Schmunzeln einladen, gibt der Autor seine Figuren nie der Lächerlichkeit preis. Der Roman richtet sich vorrangig an ein älteres Publikum, für welches das Herzklopfen der ersten Liebe bereits zur nostalgischen Erinnerung geworden ist. Doch auch Leser im reiferen Teenageralter werden an dieser bittersüßen Komödie Gefallen finden. |
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