Pompeij (Italien) | |||||||
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Das Schöne am italienischen Völkchen ist die Tatsache, dass die Bekanntschaft mit einer Person einen riesigen Verwandten- und Bekanntenkreis eröffnet, der günstigenfalls über ganz Italien verstreut lebt und jederzeit besucht werden kann – so wie die Gartennachbarn der Familie meines Freundes in Ostuni. |
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Zu überwältigend war der Augenzeugenbericht, den Plinius der Jüngere vom Ausbruch des Vulkans im Jahr 79 für die Nachwelt und die Geschichtsbücher der fünften Klasse überliefert hat; zu erschütternd die Tragödie aus Lavaströmen, Schlamm, Wasser, jeder Menge Staub und giftigen Gasen sowie dem Tod einer ganzen Stadt als, dass ich die Chance vertan hätte, eine Einladung nach Neapel anzunehmen. |
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So kam es, dass uns unser Gastgeber eines sehr warmen Junitages gegen 9 Uhr zum Haupteingang der Ausgrabungsstätte kutschierte nicht, ohne zu erwähnen, dass Wissenschaftler vorhergesagt hätten, dass es innerhalb der nächsten 50 Jahre zu einem schweren Ausbruch des Vesuv gleich dem Anno 79 kommen würde. Diese Botschaft wirkte nicht ermutigend. Doch weg waren sowohl das Auto als auch je 10 Euro Eintrittsgeld, und schon befanden wir uns auf einer der recht ebenmäßigen Straßen aus Basaltpflaster, die in ein Labyrinth aus sehr gut erhaltenen Wohnhäusern, Theatern, Forum, Markthallen, Tempel und Basilika hineinführte. Auf einigen Hauswänden finden sich Inschriften oder Kritzeleien, und auch die Bäckereien oder Garküchen sowie die Bäder mit ihren erotischen Fresken lassen eine Stadt voller Leben vor dem geistigen Auge auferstehen. |
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Eigentlich hatten wir einen ungefähren Plan davon, was wir uns ansehen wollten. Aber bereits nach wenigen Metern liefen wir nur noch begeistert von einem Ort zum anderen und schossen viel zu viele Fotos. Einige Häuser – wie z.B. das Haus des Fauns – besitzen liebenvoll gepflegte Gärten, in denen sich heute keine Sklaven mehr zu schaffen machen, sondern das 21. Jahrhundert in Form von Angestellten mit Elektrorasenmähern Einzug gehalten hat. Selbiges Haus kann als gutes Beispiel für die pompejische (den Griechen abgeschaute) Baukunst angesehen werden: Ein geräumiger Innenhof mit einem Wasserbecken, in dessen Mitte die kleine Statue eines Faun prangt, darum gruppieren sich Säulengänge und die Wohnräume. Unzählige Fresken in Wohnhäusern erzählen zudem vom prunkvollen Besitztum der reichen Bürger. Hatten wir die Stadt vorher nur mit einigen Touristen, streunenden Hunden und Katzen sowie den überall anzutreffenden Eidechsen geteilt, begann sich Pompeji gegen Mittag derart zu füllen, dass wir immer öfter von den Fußwegen auf die Straßen ausweichen mussten. Da traf es sich gut, dass man heute keine Wagenrennen in den tagsüber ungemein belebten Straßen mehr abhält. |
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Die wichtigsten Gebäudekomplexe sind ausgeschildert und auch die Straßen hat man mit Namensschildern versehen. Daher kann man sich in den vor Ort erhältlichen Karten ganz gut orientieren. Aber nachdem wir bereits intuitiv auf die Arena und das Theater getroffen waren, trieben wir weiter durch die Stadt und folgten irgendwann Phallusdarstellungen an Häuserwänden, die uns schließlich an ein Bordell angelangen ließen. Wo früher Seeleute und Huren ihr Wesen auf unbequemen Steinbänken trieben, drängen sich heute mehr oder weniger bekleidete Touristen, um einen Blick auf die Freskendarstellungen kopulierender Pärchen zu werfen, die vom dekadenten Leben der Stadt erzählen. Bei über 30 Grad im Schatten galten unsere Gedanken jedoch vielmehr der Wasserflasche als schweißtreibenden sportlichen Betätigungen. Es erwies sich auch als vorteilhaft, dass wir ein paar belegte Panini (Brötchen) eingepackt hatten, denn während es im Berliner Zoo bereits bei 20 Grad an jeder Ecke einen Stand mit Eis und Getränken gibt, sind die Händler anscheinend zusammen mit der restlichen, 15.000 Seelen zählenden Bevölkerung Pompejis ausgelöscht worden. |
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Wie schrecklich dieser Tod gewesen sein muss, zeigen eindrucksvoll die Gipsabdrücke von Bewohnern der Stadt, die man durch Auffüllen der Hohlräume in der sechs bis sieben Meter dicken Schicht aus Asche und Gestein seit den Ausgrabungen in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts erhalten hat: Menschen (Männer, Frauen und Kinder) lang daliegend, schmerzgekrümmt oder auf die Knie gefallen; weit aufgerissene Münder, die verzweifelt nach Luft ringen, Arme wie zum Schutz erhoben... Die zu Hohlräumen und später zu Gips Gewordenen zeugen von der Schnelligkeit, mit der die Katastrophe über die Menschen hereingebrochen kam. Mit diesen Aussichten vor Augen waren wir schon fast froh, die Stadt im Schatten des Vesuv bald wieder verlassen zu können, obwohl sowohl Pompeji als auch Neapel und Umgebung absolut sehenswert sind. |
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Fast sechs Stunden sind wir in der antiken Stadt herumgewandert. Um alles zu sehen, hat die Zeit nicht ausgereicht, aber dennoch ist das befriedigende Gefühl geblieben, ein Stück Weltgeschichte mit eigenen Sinnen erfasst zu haben. An den Souvenirständen an den Ein- bzw. Ausgängen kann sich der gute Tourist zudem mit Postkarten, Büchern und allerlei Schnickschnack eindecken und somit weitere Erinnerungsstücke nach Hause tragen. |
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Von Neapel nach Pompeji und zurück kommt man natürlich auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln, wenn gerade kein freundlicher Gartennachbar zur Verfügung steht. Vom Hauptbahnhof aus verkehren die Züge nach Sorrento, Salerno und Poggiomarino, die in Pompeji Station machen. Ebenso kann man die Autobuslinie vom Flughafen di Capodichino nach Pompeji nutzen. Die Preise halten sich im Rahmen, da die Entfernung nicht allzu groß ist (eine Bahnstrecke ca. 2 Euro). Hätte Plinius’ Vater eine solche Verkehrsanbindung gehabt, wäre der Augenzeugenbericht aus Pompeji vielleicht von ihm anstelle seines Sohnes geliefert worden. Aber Plinius d. Ä. hat den Schatten des Vesuvs im Gegensatz zu uns nicht lebend verlassen können ...und alles andere bleibt Spekulation.
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