Scheinbar leichter lebt die wohlhabende deutschstämmige Eloise Cadwallander, Tochter eines Barons und nach einer kurzen stürmischen Romanze verheiratet mit Edward Cadwallander, dessen größtes Vergnügen darin besteht, Menschen abzuschlachten - das Ausrotten zahlreicher Eingeborenenstämme geht bereits auf sein Konto. Die Justiz verschließt die Augen vor seinen Greueltaten, helfen diese doch, das Land zu erobern und die Machtbereiche auszudehnen. Nur dem Einfluss seines mit Schuldgefühlen beladenen Vaters hatte Edward es zu verdanken, dass er vor Jahren schon ungeschoren davonkam, als er ein europäischstämmiges Mädchen vergewaltigte und dessen sogar angeklagt wurde.
Eloise bereut bald, dass sie auf diesen trunksüchtigen Spieler und brutalen Menschen hereingefallen ist. Doch gestattet es ihr Ehrgefühl nicht, ihren Mann zu verlassen. Selbst als George Collinson um sie zu werben beginnt und sie im Verborgenen eine leidenschaftliche Affäre leben, bringt Eloise nicht den Mut auf, die Masken fallen zu lassen und den wahren Zustand ihrer Ehe der Öffentlichkeit preiszugeben. Stattdessen trennt sie sich von Collinson und lebt in ständiger Angst vor der Brutalität ihres Ehemannes, der bald keinen Grund mehr sieht, sein wahres Wesen vor Eloise zu verbergen. Ihre einzige Freude sind die drei Söhne, welche sie im Laufe der Jahre gebärt, von denen jedoch vor allem der Stammhalter Charles kaum den Vorstellungen seines Vaters entspricht und darunter ebenso zu leiden hat wie seine Mutter.
So wenig die beschriebenen Familien scheinbar zusammenhängen mögen, hat die Autorin Tamara McKinley doch ein dichtes Netz von Verbindungen geschaffen, die dem Leser erst im Laufe des Romans offenbart werden. In "Insel der Traumpfade" stellt sie anhand der zwei Welten Sidney und der Farm Moonrakers beispielhaft dem Leben in der Stadt dasjenige beim erobernden Militär auf der Farm gegenüber. Sie zeigt den Kampf mit den Naturgewalten und dem Land auf der einen Seite und die Möglichkeiten, die sich jedem bieten, der nach dem Abbüßen seiner Strafe oder als finanziell gut ausgestatteter Einwanderer ungeachtet der Herkunft sein Glück zu machen versteht.
Die australischstämmige Autorin Tamara McKinley lebt zwar bereits seit ihrer Kindheit in England, verbringt aber jedes Jahr mehrere Monate in Australien, um für ihre Romane zu recherchieren. Daher resultiert vermutlich das Ziel, die Handlungsstränge der 'weißen' Geschichte mit jener der eingeborenen Australier - die zwischen dem Hass auf und der Furcht vor den Eroberern sowie den Möglichkeiten an Fortschritt und Bildung hin- und hergerissen sind - in den Roman einfließen zu lassen. Die Ureinwohner sind gezwungen, sich zwischen den alten Werten und einem neuen Leben in Zusammenarbeit mit den Siedlern zu entscheiden - wobei eine wirkliche Entscheidungsfreiheit nicht mehr gegeben ist, als mehr und mehr Siedler nach Australien kommen. Die vielen durchaus interessanten Traditionen der Ureinwohner in der Erzählung unterzubringen und darzustellen, ist ein hehres Ziel, aber für den Plot nicht notwendig. Die weißen und schwarzen Lebenswelten berühren sich zwar gelegentlich, hängen jedoch nicht zusammen. Stattdessen verlangsamen die Ambitionen der Autorin nur das Tempo der eigentlichen und eigentlich auch recht bekannten Liebesgeschichte - eine Irrtumswahl sowie das Warten auf die Chance zur Erfüllung der wahren Liebe.
Die zahlreichen handelnden Personen wirken trotz der auftauchenden Verbindungen in den Erblinien zusammenhanglos. Da wären weniger Handlungsstränge, dafür detaillierter ausgearbeitet besser gewesen. Außerdem erscheint es irgendwann nicht mehr überraschend, sondern langweilig, wenn sich wieder eine solche Verbindung aus der Vergangenheit herausstellt. Es erinnert an Karl May, wenn sich in weiter Ferne plötzlich nur Bekannte treffen, die ihr altes Leben fast unverändert in die neue Welt verlagert, ein wenig mit Abenteuer gewürzt, aber letztendlich doch beibehalten haben. Zudem sind viele Handlungsmomente so offen angelegt, dass eine Fortsetzung von vornherein eingeplant scheint. Recht trivial ist auch, dass sich die Männer, abgesehen von Edward, alle mitfühlend und wartend verhalten sowie alle Beziehungen in eine Ehe münden. Und auch das Leben auf einer Farm mit Schafen und Naturgewalten wie Trockenheit, Buschbränden, plötzlich einsetzenden Regenfluten und der Abgeschiedenheit von der Zivilisation hat Colleen McCullough bereits vor Jahrzehnten mit ihren "Dornenvögeln" wesentlich lebhafter und eindrucksvoller beschrieben.
Daher bietet "Insel der Traumpfade" eine recht bekannte Geschichte; gut geeignet zum Schmökern und Eintauchen in eine spannende vergangene Epoche - aber dennoch nur durchschnittliche Unterhaltung.
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